Christian Megert
Frühe Werke der 1950 | 60er Jahre aus Paris und Bern
-
Wie kann es sein, dass die ersten, ganz früh gemalten Werke von Christian Megert zwar zwischen 1955 und 1960, direkt und taufrischaus dem Atelier, in Ausstellungen in Bern, Lausanne und Paris, in Barcelona, Kopenhagen, Leverkusen und Recklinghausen gezeigt wurden, in den folgenden fast sieben Jahrzehnten in der Schweiz aber nie mehr zusehen waren?
Auf dem Weg zum Spiegel
Nun bietet sich dem interessierten Schweizer Publikum mit der Ausstellung einer erlesenen Gruppe in der Galerie Dierking endlich die Möglichkeit, dem ersten gültigen Werkkomplex von Christian Megert zu begegnen, jenes Künstlers, der ab 1961, da war er erst 25-jährig, schon sein Etikett weg hatte und seither als der mit den Spiegeln galt. Neben der grossen Überraschung, dass die Schweizer Premiere erst jetzt stattfindet, könnte weiter erstaunen, dass sie in Zürich stattfindet und nicht in Bern: Immerhin war Megert in der vibrierenden Berner Kunstszeneseit den mittleren fünfziger Jahren bis zu seinem Umzug nach Düsseldorf 1973 eine prägende Figur gewesen.
Zwar nicht in einem kunstaffinen Elternhaus aufgewachsen, war der 1936 geborene Christian Megert doch schon als Schüler mit angehenden Künstlern befreundet. Das Berufsziel des 16-Jährigen war die Architektur, dafür musste er aber erst eine Lehre als Maurer absolvieren. Als Lehrling besuchte er an der Berner Gewerbeschule Kurse für das künstlerische Gewerbe, so im technischen und Aktzeichnen oder in der Farbenlehre. Zu den Freunden gehörten etwa die ein paar Jahre älteren Dieter Roth und Marcel Wyss, die ab 1953 zusammen mit Eugen Gomringer die «spirale» herausgaben, jene so wichtige Zeitschrift zur konstruktiv-konkreten Kunst, dazu gehörten aber auch etwa der damalige Töpferlehrling und spätere Clown Dimitri sowie der Kunstgeschichtsstudent und Kabarettist Harry Szeemann, der spätere Direktor der Kunsthalle Bern. Mit ihm arbeitete Megert in den sechziger Jahren bei der Organisation wichtiger, legendärer Ausstellungen eng zusammen.
Es geht uns hier jedoch um die wenigen, aber unglaublich dichten Jahre zwischen 1955, als sich Megert, wie er sich später erinnert, «auf die Suche nach der Kunst» machte, und 1959/60, dem Zeitpunkt, da er begann, mit dem Spiegel zu experimentieren.
1959 integrierte er erstmals Glas- und Spiegelteile in seine Malerei, 1961 wird dann in der Galerie Køpcke in Kopenhagen seine erste reine Spiegelausstellung stattfinden, zu der er ein Statement verfasste, in dem das Publikum aufgefordert wurde, die Rolle der passiven Kunstbetrachtung zu überwinden.
1956 entstanden Megerts erste weisse monochrome Gemälde, 1957 grau-weisse Struktur-Bilder, die schon die Richtung zum Relief anzeigen, ab 1958 dann oft kräftig materialbetonte, «essais» genannte, Bildobjekte, in Weiss, Braun oder in den erwähnten «undefinierbaren Erdfarben», die kleineren auf grober Jute, die grösseren, also auch schweren, auf Faserplatten. Es sind, natürlich, im Wortsinn informelle Werke, indes zögert man, den Begriff für sie zu verwenden, hat er sich doch für eine bestimmte Stilrichtung und Haltung in der Malerei etabliert, von der sich Megert bewusst und erklärtermassen absetzen wollte.
Die aktuelle Werkauswahl führt stringent den Weg vor Augen, den dieser Künstler in seinen jungen Jahren ging – wenngleich der Weg so geradlinig wohl nicht verlief —, den Weg von der Malerei über deren Überwindung hin zum massiv gebauten Bildobjekt.
Es sind Werke, die die meisten von uns zum ersten Mal sehen. Das überrascht angesichts der überragenden Qualität und auch der ihnen zustehenden festen und sicheren Position in der neueren Kunstgeschichte. Das Gute an dieser Erstbegegnung: Sie sind von einer unglaublichen Frische; zwar datierbar, aber nicht vereinnahmt von der Kunstgeschichte, begegnen sie uns überraschend direkt und ganz unvermittelt. Ein auch beglückendes Erlebnis.
1959 begann Christian Megert mit dem Spiegel zu experimentieren. In seinem Bemühen um die Erweiterung des Bildraums implementierte er Glas- und Spiegelstücke ins pastose Mal- und Reliefmaterial. In der Folge bot ihm der ebenso einfache wie komplexe und schwer fassbare Gegenstand eine unendliche Fülle an Möglichkeiten, die der Künstler seither, seit über sechs Jahrzehnten also, intensiv und auch spielerisch ausnutzt.
Als Christian Megert 1960 zu seiner wichtigsten frühen internationalen Ausstellung eingeladen wurde, zur legendären, von Udo Kultermann kuratierten thematischen Ausstellung «Monochrome Malerei» ins Museum Morsbroich Leverkusen, war er, mit dem heute vergessenen Berner Kollegen Rudolf Leuzinger, der mit Abstand jüngste Teilnehmer. Zu den ältesten gehörten die um 1900 geborenen Willi Baumeister, Lucio Fontana und Mark Rothko, zu den jungen die einzige Malerin Yayoi Kusama und die ZERO-Künstler Mack, Piene, Uecker, Verheyen und Manzoni, auch Megerts früher Freund Arnulf Rainer. Es war eine Epochenausstellung, auch eine Antwort auf die documenta und deren Feier des amerikanischen Action Painting und europäischen Informel.
Es war korrekt und absolut richtig, dass Megert in dieser international so wichtigen und beachteten Ausstellung mit einer zum Relief tendierenden Komposition von 1959 vertreten war — allerdings war er zum Zeitpunkt der Ausstellung schon daran, sich von der Malerei endgültig zu verabschieden. 1960 war der 24-jährige Künstler bereits auf einem anderen Weg.
Christian Megert
Frühe Werke der 1950 | 60er Jahre aus Paris und Bern
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Auf dem Weg zum Spiegel
Wie kann es sein, dass die ersten, ganz früh gemalten Werke von Christian Megert zwar zwischen 1955 und 1960, direkt und taufrischaus dem Atelier, in Ausstellungen in Bern, Lausanne und Paris, in Barcelona, Kopenhagen, Leverkusen und Recklinghausen gezeigt wurden, in den folgenden fast sieben Jahrzehnten in der Schweiz aber nie mehr zusehen waren?
Nun bietet sich dem interessierten Schweizer Publikum mit der Ausstellung einer erlesenen Gruppe in der Galerie Dierking endlich die Möglichkeit, dem ersten gültigen Werkkomplex von Christian Megert zu begegnen, jenes Künstlers, der ab 1961, da war er erst 25-jährig, schon sein Etikett weg hatte und seither als der mit den Spiegeln galt. Neben der grossen Überraschung, dass die Schweizer Premiere erst jetzt stattfindet, könnte weiter erstaunen, dass sie in Zürich stattfindet und nicht in Bern: Immerhin war Megert in der vibrierenden Berner Kunstszeneseit den mittleren fünfziger Jahren bis zu seinem Umzug nach Düsseldorf 1973 eine prägende Figur gewesen.
Zwar nicht in einem kunstaffinen Elternhaus aufgewachsen, war der 1936 geborene Christian Megert doch schon als Schüler mit angehenden Künstlern befreundet. Das Berufsziel des 16-Jährigen war die Architektur, dafür musste er aber erst eine Lehre als Maurer absolvieren. Als Lehrling besuchte er an der Berner Gewerbeschule Kurse für das künstlerische Gewerbe, so im technischen und Aktzeichnen oder in der Farbenlehre. Zu den Freunden gehörten etwa die ein paar Jahre älteren Dieter Roth und Marcel Wyss, die ab 1953 zusammen mit Eugen Gomringer die «spirale» herausgaben, jene so wichtige Zeitschrift zur konstruktiv-konkreten Kunst, dazu gehörten aber auch etwa der damalige Töpferlehrling und spätere Clown Dimitri sowie der Kunstgeschichtsstudent und Kabarettist Harry Szeemann, der spätere Direktor der Kunsthalle Bern. Mit ihm arbeitete Megert in den sechziger Jahren bei der Organisation wichtiger, legendärer Ausstellungen eng zusammen.
Es geht uns hier jedoch um die wenigen, aber unglaublich dichten Jahre zwischen 1955, als sich Megert, wie er sich später erinnert, «auf die Suche nach der Kunst» machte, und 1959/60, dem Zeitpunkt, da er begann, mit dem Spiegel zu experimentieren.
1959 integrierte er erstmals Glas- und Spiegelteile in seine Malerei, 1961 wird dann in der Galerie Køpcke in Kopenhagen seine erste reine Spiegelausstellung stattfinden, zu der er ein Statement verfasste, in dem das Publikum aufgefordert wurde, die Rolle der passiven Kunstbetrachtung zu überwinden.
1956 entstanden Megerts erste weisse monochrome Gemälde, 1957 grau-weisse Struktur-Bilder, die schon die Richtung zum Relief anzeigen, ab 1958 dann oft kräftig materialbetonte, «essais» genannte, Bildobjekte, in Weiss, Braun oder in den erwähnten «undefinierbaren Erdfarben», die kleineren auf grober Jute, die grösseren, also auch schweren, auf Faserplatten. Es sind, natürlich, im Wortsinn informelle Werke, indes zögert man, den Begriff für sie zu verwenden, hat er sich doch für eine bestimmte Stilrichtung und Haltung in der Malerei etabliert, von der sich Megert bewusst und erklärtermassen absetzen wollte.
Die aktuelle Werkauswahl führt stringent den Weg vor Augen, den dieser Künstler in seinen jungen Jahren ging – wenngleich der Weg so geradlinig wohl nicht verlief —, den Weg von der Malerei über deren Überwindung hin zum massiv gebauten Bildobjekt.
Es sind Werke, die die meisten von uns zum ersten Mal sehen. Das überrascht angesichts der überragenden Qualität und auch der ihnen zustehenden festen und sicheren Position in der neueren Kunstgeschichte. Das Gute an dieser Erstbegegnung: Sie sind von einer unglaublichen Frische; zwar datierbar, aber nicht vereinnahmt von der Kunstgeschichte, begegnen sie uns überraschend direkt und ganz unvermittelt. Ein auch beglückendes Erlebnis.
1959 begann Christian Megert mit dem Spiegel zu experimentieren. In seinem Bemühen um die Erweiterung des Bildraums implementierte er Glas- und Spiegelstücke ins pastose Mal- und Reliefmaterial. In der Folge bot ihm der ebenso einfache wie komplexe und schwer fassbare Gegenstand eine unendliche Fülle an Möglichkeiten, die der Künstler seither, seit über sechs Jahrzehnten also, intensiv und auch spielerisch ausnutzt.
Als Christian Megert 1960 zu seiner wichtigsten frühen internationalen Ausstellung eingeladen wurde, zur legendären, von Udo Kultermann kuratierten thematischen Ausstellung «Monochrome Malerei» ins Museum Morsbroich Leverkusen, war er, mit dem heute vergessenen Berner Kollegen Rudolf Leuzinger, der mit Abstand jüngste Teilnehmer. Zu den ältesten gehörten die um 1900 geborenen Willi Baumeister, Lucio Fontana und Mark Rothko, zu den jungen die einzige Malerin Yayoi Kusama und die ZERO-Künstler Mack, Piene, Uecker, Verheyen und Manzoni, auch Megerts früher Freund Arnulf Rainer. Es war eine Epochenausstellung, auch eine Antwort auf die documenta und deren Feier des amerikanischen Action Painting und europäischen Informel.
Es war korrekt und absolut richtig, dass Megert in dieser international so wichtigen und beachteten Ausstellung mit einer zum Relief tendierenden Komposition von 1959 vertreten war — allerdings war er zum Zeitpunkt der Ausstellung schon daran, sich von der Malerei endgültig zu verabschieden. 1960 war der 24-jährige Künstler bereits auf einem anderen Weg.
ARCHIV
21. Dez. 2022 -
GANESHA & HIS HEAVENLY FRIENDS
13. Jun. -
GE-MEN-GE-LA-GE | Afrika, Bischoffshausen, Boll, Fontana, Goepfert, Girke, Kricke, Prantl, Rainer, Südamerika, Verheyen
01. Feb. -
Westafrika | selten, unbekannt, meisterlich
GANESHA & HIS HEAVENLY FRIENDS
Meisterwerke der Robert P. & Alice Y. Piccus Sammlung – Boll | Kesselmar | Löhr – Neue Arbeiten
GE-MEN-GE-LA-GE | Afrika, Bischoffshausen, Boll, Fontana, Goepfert, Girke, Kricke, Prantl, Rainer, Südamerika, Verheyen
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